Der USA-Trip beginnt mit einer kleinen Irritation. Nach einer halb durchwachten Nacht stehen wir morgens um neun Uhr auf dem riesigen Parkplatz der Alamo-Autovermietung in Los Angeles. Über uns kreischen die Flugzeuge des nahegelegenen Flughafens. Der Geruch von abgeriebenem Gummi und verbranntem Kerosin weht herüber. Einen Kleinwagen wollen wir abholen, Toyota-Corolla-Klasse, wie bestellt. Verloren halten wir mit unserem Abholschein Ausschau nach einem Advisor, einem Mitarbeiter, der uns zum Auto führt. Aber in der silber-weissen Blechherde uniformer Mittelklassewagen ist niemand zu sehen.
Plötzlich schiesst Antony auf uns zu, sein Namensschild stellt ihn vor, er selbst hat nicht die Zeit dazu, alles muss jetzt schnell gehen. Abholschein, bitte! Hierlang! Da steht Ihr Wagen! An der Ausfahrt noch mal den Schein zeigen! Danke! Gute Fahrt!
Vor uns steht ein panzerähnliches Fahrzeug, ein tiefschwarzer Jeep Wrangler, eine zwei Tonnen schwere Geländelimousine, wie sie bei Stars und Grossstadt-Cowboys beliebt ist – Stossstangen wie Rammböcke, Reifen bis zur Hüfte, die Kraft von 200 Pferden. Irritiert rufen wir Antony hinterher. Er bleibt kurz stehen. In der gebuchten Klasse ist gerade kein Wagen verfügbar! Das ist Ihr Auto! Wir haben Sie hochgestuft! Kostet Sie nichts extra! Tolles Teil, was? Gute Fahrt! Weg ist er.
Stumm blicken wir auf das bullige Geschoss – irgendwie hatten wir uns den USA-Trip anders vorgestellt, dezenter, umweltfreundlicher. Ich denke an das Benzin, das dieses Monstrum fordern wird. Gleichzeitig finde ich die Situation aufregend, Geländewagen fahren, die Kraft spüren, Cowboy spielen, das wollte ich schon immer mal. Die blecherne Dekadenz lockt. Ich werde schwach. Es ist ja nur für ein paar Tage, sage ich mir. Ein Blick zu Line, und ich weiss, sie sieht das anders. Lieber zu Fuss als mit diesem Panzer, steht ihr ins Gesicht geschrieben.
Eine halbe Stunde später verlassen wir das Alamo-Gelände – mit dem Jeep, Line hat nachgegeben, mir zuliebe. Und während sie auf dem Beifahrersitz hin und her rutscht, kämpfe ich mit dem halbautomatischen Getriebe. Erst nach einigen Kilometern habe ich den Jeep vollständig unter Kontrolle. Die Drehzahl sinkt auf ein gesundes Niveau. Rund 800 Kilometer liegen jetzt vor uns, in vier Tagen wollen wir in San Francisco sein, dazwischen die schönsten Abschnitte wie Big Sur, Monterey und Santa Cruz sehen.
Nach gut einer Stunde erreichen wir den Stadtrand von Los Angeles, die Strasse wird kleiner, der Verkehr ruhiger, die Umgebung hübscher. Langsam gewöhnen wir uns an den kraftvoll brummenden Motor, der uns Richtung Coastal Highway trägt. Noch wissen wir nicht, dass die nächsten Tage zu den schönsten unserer Weltreise gehören werden.
California Dreaming
On the road again – und diesmal so richtig. Mit dem Auto kurven wir an der Steilküste Kaliforniens entlang, geniessen tolle Ausblicke und das Freiheitsgefühl, das dabei aufkommt. Wir können anhalten, wo es uns gefällt, keine aktigen Busfahrten, keine nervige Zimmersuche zu Fuss. Es ist Frühling, überall liegt Blütenduft in der Luft, die Natur ist so vielfältig und schön. Bei den Trekkingtouren durch Nationalparks werden wir überrascht, sehen Robben, Otter und sogar Wale vor der Küste.
Dabei hatte ich mir Amerika ganz anders vorgestellt. Interessiert war ich eigentlich nur an San Francisco – da wollte ich schon immer mal hin. Das restliche Land, mit seinen gigantischen Supermärkten, Burgerketten und seinem American Way of Life, hat mich weniger angezogen. Aber jetzt bin ich hier und total begeistert.
Die Leute, die wir treffen, sind unglaublich freundlich und interessiert. Alles ist so unkompliziert. Dreimal am Tag gibt’s Fast Food. Abends fallen wir zufrieden in die übergrossen Kingsize-Betten in den heimeligen Motelzimmern und schauen eines der 500 Programme auf den riesengrossen Flachbildfernsehern. Alles ist XXL – nach Asien das reinste Disneyland.
Die Krönung des Roadtrips ist für mich San Francisco. Drei Stunden verbringe ich damit, die Golden Gate Bridge zu bestaunen. Es ist toll, hier zu sein, und das Gefühl wird dadurch noch verstärkt, dass die anderen 200 Menschen, die auch auf der Brücke stehen, das genauso sehen. Die Stimmung ist grossartig. Viel zu schnell ist die Zeit in San Francisco vorbei – für mich ist Kalifornien wie ein „Urlaub“ auf unserer Reise.