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New York

8 Aug

So, nun ist es also soweit, nach 313 Tagen verbringen wir unseren letzten Weltreisetag mit Essen, Sightseeing und Shoppen in Manhattan. Am Abend genießen wir den faszinierenden Blick auf New York vom 69. Stock des Rockefeller-Centers. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge geht’s morgen zurück nach Frankfurt. Wir werden die Freiheit, die Abwechslung und die vielen exotischen Begegnungen vermissen, aber jetzt freuen wir uns auch wieder auf Deutschland und vor allem darauf, euch alle bald wiederzusehen.

Oaxaca

4 Aug

Auf unserem Weg Richtung Süden fahren wir durch skurrile Landschaften. Das Ziel: der Bundesstaat Oaxaca, der zu den ärmsten und schönsten Gegenden des Landes zählt, hier, erzählen uns viele Mexikaner, existiere noch das wahre Mexiko.

Am Abend erreichen wir die Hauptstadt und müssen mitten im Trubel ein freies Hotel finden, was gar nicht so einfach ist, denn exakt in diesen Tagen feiert Oaxaca-Stadt  zum 80. Mal das alljährliche Folklorefestival „Guelaguetza“. Tausende Besucher reisen an. Das wussten wir nicht. Nach dem wir eine Herberge gefunden haben, stürzen auch wir uns in den Trubel.

Am nächsten Morgen gibt’s das typische Oaxaca-Frühstück: Instant-Kaffee mit einem trockenen Brötchen. Besonders lecker ist das nicht.

Danach verschaffen wir uns erst mal einen Überblick und klettern auf eine Aussichtsplattform. Unter uns liegt Oaxaca-Stadt in einem riesigen Talkessel.

Die „Iglesia Santo Domingo“ ist die wohl bekannteste Kirche im Ort. Angeschlossen ist ein Dominikanerkloster aus dem 16. Jahrhundert.

Spannend an der Stadt sind nicht nur die Prachtstraßen im touristischen Zentrum, sondern auch die urigen Nebenstraßen in den ruhigeren Randgebieten.

Mexikanische XXL-Größen: Die kalorienreiche Ernährung der Einheimischen schlägt sich auch in der regionalen Mode nieder.

In der Nähe liegt die Ruinenstadt „Monte Albán“ – auf einer künstlich abgeflachten Bergkuppe in 2000 Meter Höhe. Vor rund 1500 Jahren war dies die Hauptstadt der Zapoteken (einer Volksgruppe, zu der heute noch etwa 800.000 Personen gehören).

Weiter geht’s mit einem Shuttle-Bus Richtung Pazifikküste. Für die 260 Kilometer brauchen wir mehr als acht Stunden…

…das liegt nicht nur an den vielen Tieren, die immer wieder die Straße blockieren. Die Strecke führt über die Bergkette „Sierra Madre del Sur“ und ist die meiste Zeit eine kurvige Schlaglochpiste mit Blick in den Abgrund. Schnell wird es ruhig im Bus (sehr untypisch für Mexiko), jeder ist mit sich und seinem Magen beschäftigt.

Der Horrortrip lohnt sich. Mit einem flauen Gefühl im Magen, ansonsten aber unbeschadet, erreichen wir die Pazifikküste. In Puerto Escondido finden wir ein Zimmer bei zwei netten Schweizern und genießen das letzte Mal Strand und Meer auf unserer Reise. Zum Abschied gibt’s noch diesen herrlichen Sonnenuntergang.

Ranch

23 Jul

Die erholsame Reisezeit ist vorbei. Der Karibikaufenthalt hat ein Loch in unsere Geldbeutel gefressen, die Kosten waren höher als gedacht. Jetzt muss ein Ausgleichsprogramm her. Über eine Internetplattform finde ich die Lösung: Ein Farm- und Hotelbetrieb im Bergland von Valle de Bravo, westlich von Mexiko-Stadt, sucht Volontäre. Für die Mitarbeit gibt’s Kost und Logis frei. Nach kurzem Mailverkehr mit den Besitzern steht unsere Entscheidung – Valle de Bravo ist das nächste Reiseziel.

Zwei volle Tage brauchen wir, um mit dem Bus dorthin zu kommen. Aus dem sonnigen Yucatán fahren wir ins regenverhangene Hochland. Ernüchterung macht sich breit. Bei der Ankunft wartet die nächste Überraschung, denn statt, wie vereinbart, die ersten Tage im Hotel in Valle de Bravo mitzuhelfen, werden wir gleich für die Rancharbeit eingeteilt. Das Hotel sei völlig überbucht, sagen die Besitzer, für Volontäre gebe es keinen Platz.

Die Ranch liegt 40 Minuten außerhalb, dort, wo es nur noch Berge und Wiesen gibt. Mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages kommen wir an. Ein kleines einstöckiges Gebäude steht verlassen auf verwildertem Felde, unsere Bleibe, sie wirkt heruntergewirtschaftet. Zwei Hunde bellen, ansonsten ist nichts zu hören. Schlagartig wird die Stille von Brent beendet.

Brent ist ein 19-jähriger, spätpubertierender US-Amerikaner, der von seiner Mutter als Strafe für sein delinquentes Verhalten für drei Wochen auf die Ranch zur Farmarbeit geschickt wurde. Mit ihm teilen wir das Volontärshaus. Brent ist überglücklich, dass unsere Ankunft seinem Einsiedlerdasein ein Ende bereitet. Dafür ist er nämlich so gar nicht geschaffen, wie sich die nächsten Tage herausstellt. Gleich zu Beginn redet er ununterbrochen und weicht die nächsten Stunden nicht von unserer Seite.

Der erste Eindruck bestätigt sich, das Gebäude ist total verwohnt, schmuddelig, es gibt kein warmes Wasser und an den Decken ist Schimmel. Auch gibt es vor dem ewig quasselnden und rauchenden Brent kaum ein Entrinnen. So wollen wir die nächste Zeit nicht verbringen. Als am darauffolgenden Tag die Gastfamilie zu Besuch kommt, bietet sie uns ein anderes Zimmer in einem nah gelegenen, halbfertigen Neubau an. Bei Regen tropft es dort zwar von der Decke und durch den rohen Putz ist alles staubig, aber wir haben etwas Privatsphäre und ein eigenes Bad. Die Küche benutzen wir weiterhin mit Brent.

Die nächste Woche arbeiten wir acht Stunden täglich im Gemüsegarten, beziehungsweise in dem, was davon noch übrig ist. Die Beete sind stark überwuchert und müssen freigelegt,  umgegraben, mit neuer Erde aufgeschüttet und bepflanzt werden. Arbeitshandschuhe oder funktionierende Werkzeuge gibt’s nicht – uns bleiben nur eine unscharfe Sichel, eine Schubkarre mit Plattem und eine Schaufel, deren Stiel abzubrechen droht.

Rosio, eine Mexikanerin, die schon seit fünfzehn Jahren auf der Ranch arbeitet, hat das Kommando und unterweist uns täglich in den Aufgaben. Die Kommunikation ist teilweise schwierig, da sie einen starken Dialekt spricht und grundsätzlich das Gesagte immer in der gleichen Art und Weise wiederholt. Wir kommen trotzdem klar. Am ersten Tag tut mir vom langen Knien alles weh und meine Finger sind aufgerissen. Uwe schimpft über das sinnlose Unterfangen, das Gras mit einer Sichel abzusäbeln, anstatt den Rasenmäher zum Einsatz zu bringen, der kaputt in der Ecke steht.

Am zweiten Tag sehe ich eine Giftschlange neben mir durchs Beet schlängeln und greife von dortan nicht mehr so unbedarft ins Gras. Rosio erschrickt und sagt, man müsse mit den Tieren sehr aufpassen, denn Gegengift gebe es hier weit und breit nicht.

So hart die Arbeit auch ist, mir gefällt es nach den Anfangsschwierigkeiten richtig gut. Die Landschaft ist wunderschön, aus unserem Zimmerfenster haben wir einen herrlichen Blick auf Weiden und Berge, es gibt viele Pferde, die gerade Fohlen haben, und täglich essen wir frische Eier, die wir aus dem Hühnerstall sammeln. Die drei Farmhunde haben Uwe und mich nach kürzester Zeit als ihre Herrchen auserkoren und begleiten uns auf Schritt und Tritt. Abends schwebt ein Meer von Glühwürmchen über die Wiesen. Ab und zu gibt es heftige Gewitter, bei denen es scheint, als würde die Welt untergehen.

Und als Krönung gibt es wunderbares Essen. Die Gastfamilie hat uns zu Beginn der Woche mit viel Obst, Gemüse, Käse, Brot und anderen Köstlichkeiten versorgt. In der super ausgestatteten Küche kochen wir täglich unsere Mahlzeiten – nach den vielen Quesadillas, Tacos und Tortillas eine wilkommene Ablenkung. Und auch Brent hat durchaus Unterhaltungswert. Er weigert sich grundsätzlich zu arbeiten, unternimmt Spritztouren mit einem Moped, das nicht ihm gehört, kifft, duscht nicht und spricht konsequent mit allen mexikanischen Farmarbeitern englisch, auch wenn ihn keiner versteht. Damit sorgt er hier richtig für Aufregung.

Am Ende der Woche, haben wir fast den kompletten Gemüsegarten umgepflügt und bepflanzt. Und auch Brent mag ich mittlerweile. Rosio lobt unsere Arbeit und auch die Gastfamilie ist zufrieden. Uns tut alles weh, das gebückte Abeiten hat seine Spuren hinterlassen. Nach wie vor gibt es, trotz Versprechungen, keine ordentlichen Werkzeuge oder Abeitshandschuhe. Spontan entscheiden wir: das war genug Landluft. Wir wollen mehr von Mexico sehen und die letzten Tage am Meer verbringen. Beim Abschied bin ich trotzdem wehmütig, nach einer Woche habe ich alles hier ins Herz geschlossen.

Eine Woche lang bearbeiten wir die Wildnis mit einfachen Werkzeugen…

…und das ist bei diesem Gestrüpp wirklich eine Herausforderung…

…die mit stumpfer Sichel in sportlicher Bückstellung angegangen wird…

…danach folgt die Feinarbeit: tonnenweise Unkraut jäten (hier mit Rosio).

Die Ranch liegt im zentralen Hochland, drei Busstunden westlich von Mexiko-Stadt…

…in der bei mexikanischen Urlaubern beliebten Region rund um Valle de Bravo…

…und in diesem Häuschen auf der Farm wohnen die Volontäre…

…mit zahlreichen (halbwilden) Hunden…

…und Pferden, die auch mal durchs Fenster gucken, wenn wir drinnen kochen…

…in der Volontärsküche…

…in der viel Frisches aus dem Garten in Topf und Pfanne kommt.

Im Badezimmer hat unser US-amerikanischer Mitbewohner Brent ein altes Schlagzeug aufgebaut, das er irgendwo in Einzelteilen im Haus gefunden hat.

Nach der ersten Nacht ziehen wir aus dem muffigen Volontärshäuschen in einen nahegelegenen Rohbau auf der Ranch, der in Zukunft ein Öko-Hotel werden soll…

…was bedeutet, dass unser Zimmer aus vier Wänden, einem (löchrigen) Dach und zwei Betten besteht, sonst nichts. Dafür ist es sauber und wir haben Privatsphäre.

Nach einer Woche verabschieden wir uns vom Leben auf der Ranch und von Eric, der als Sohn der Farmbesitzer für die Volontäre zuständig ist.

Zurück bleiben die matschigen Arbeitsschuhe, die nicht mehr zu gebrauchen sind.

Yucatán

10 Jul

Wir besuchen die Yucatán-Halbinsel, die im Süden Mexikos liegt. Erste Station ist Tulum mit seiner türkisfarbenen Karibikküste und den alten Maya-Ruinen.

Gleich nebenan gibt es kilometerlange Traumstrände, touristischere Abschnitte…

…und einsamere Ecken.

In Playa del Carmen sehen wir diese Vorführung: Kopfüber schwingen vier „Voladores“ an sich abwickelnden Seilen zu Boden. 13 mal drehen sich die vier Indio-Männer um den Mast, 13 mal 4 ergibt 52 – eine magische Zahl im Maya-Kalender.

Ein Stück weiter nördlich liegt das berühmt-berüchtigte Cancún. Die Kunststadt bietet rund 20 Kilometer weißen Sand und Bettenburgen. In zweiter Reihe existiert die volle US-amerikanische Infrastruktur mit Wendy’s, Walmart und McDonalds.

Unsere letzte Station an der Karibikküste ist die Isla Mujeres – eine kleine Insel vor Cancún. Leguane gehören hier zum Inselleben wie bei uns die Tauben zur Stadt. Line sind die harmlosen Tiere, die stets nach Futter suchen, allerdings nicht so geheuer.

You better Belize it!

27 Jun

„… Tropical the island breeze, all of nature, wild and free, this is where I long to be – La isla bonita…“.

Das singt Madonna über eine der vielen Inseln, die vor Belize an der Küste liegen und hier Cayes genannt werden. Genau dort wollen wir hin. Naja, fast genau. Da die besungene Caye Ambergris mittlerweile wegen des Massentourismus dem Inseltraum nicht mehr ganz entspricht, entscheiden wir uns für die wesentlich untouristischere und kleinere Nachbarinsel, die Caye Caulker. Eine ursprüngliche Fischerinsel mit Mangrovenwäldern, ungeteerten Strassen und ohne Autoverkehr.

„… I want to be where the sun warms the sky, when it´s time for siesta you can watch them go by, beautiful faces, no cares in this world, where a girl loves a boy and a boy loves a girl…“

Bei der Ankunft werden wir im typischen Insel-Slang begrüßt: „Yo man, welcome to Belize!“ Rastamänner, Palmen, Sonne und der Geruch von Marihuana, ein absolutes Karibikklischee. Das noch eben bereiste Guatemala liegt gefühlte tausend Kilometer entfernt.

„…And when the samba played, the sun would set so high, ring trough my ears and sting my eyes, your spanisch lullaby…“

In den kommenden Tagen genießen wir das Insel-Feeling und machen eine „Unda de Wadda Tour“ – eine Schnorcheltour zu verschiedenen Riffen in der Umgebung. Unser Guide heißt Marph und bezeichnet sich selbst als „da Best“. Marph hat uns nicht zu viel versprochen. Dank ihm sehen wir Meeresschildkröten, Ammenhaie, riesige Rochen und wunderschöne Korallen. Es ist „marphellous“ oder“unbelizable“ wie die Insulaner jetzt sagen würden. Mit Madonna im Ohr und unvergesslichen Bildern im Kopf reisen wir ein paar Tage später weiter.

„…I prayed that the days would last, they went so fast,… la Isla bonita…“

Ankunft auf der Caye Caulker bei strahlendem Sonnenschein.

Auf Schnorcheltour: Beim ersten Stopp sehen wir unter anderem eine grüne Meeresschildkröte, sodass wir gar nicht mehr ins Boot zurück wollen.

Beim zweiten Stopp werden Ammenhaie und Rochen mit Futter angelockt, und wir schnorcheln mittendrin. So ganz geheuer ist mir allerdings nicht, als plötzlich drei riesige Manta-Rochen auf mich zuschwimmen.

Abendstimmung in der Karibik: An unzähligen Ständen gibt es gegrillten Fisch zu kaufen oder eine der vielen Schnorcheltouren zu buchen…

…oder man kann bei einem kühlen Drink einfach den Sonnenuntergang geniessen.

Haarige Mitbewohnerin

24 Jun

Mit meiner Taschenlampe bahne ich mir den Weg durch unser Hotelzimmer in Guatemala, es ist zwei Uhr nachts, meine Blase drückt. Im Halbschlaf ziehe ich die knarrende Tür zum Badezimmer auf, langsam, um Line nicht zu wecken, plötzlich erschrecke ich, springe rückwärts aus dem Bad, verdammt, was war das? Habe ich im Schein der Lampe gerade eine Vogelspinne gesehen?

Line wacht auf, ich erkläre ihr, was ich glaube gesehen zu haben. „Krass“, sagt sie, dreht sich um und schläft weiter. Ich kann nicht schlafen, nicht nach diesem Erlebnis, ich will wissen, was in unseren vier Wänden lebt, außerdem drückt meine Blase. Ich mache das Deckenlicht an… und sehe… nichts. Keine Spur von einer Spinne oder etwas Ähnlichem. Erleichtert schlafe ich wenig später ein.

In der nächsten Nacht sehe ich das Tier wieder, fast an der selben Stelle, diesmal greife ich zum Fotoapparat und mache Bilder. Dann krabbelt die lichtscheue Kreatur hinter die Waschbecken-Verkleidung, wo sie scheinbar lebt. Uns schaudert es, ab sofort machen wir es so: Licht an, zwei Minuten warten, erst dann ins Bad. Die haarige Mitbewohnerin sehen wir nicht mehr wieder.

Das lichtscheue Tier zeigt sich immer nur nachts.

Körperstrafen

23 Jun

Wir trauen unseren Augen kaum, denn was das Revolverblättchen „Nuestro Diario“ an diesem Tag als Aufmacher präsentiert, das hätten wir in Guatemala nicht für möglich gehalten, wo wir uns seit ein paar Tagen wieder aufhalten. Ein junger Mann steht mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem öffentlichen Platz, sein Oberkörper ist nackt. Ein Peitschenhieb trifft ihn. Wie bei einer Straßentheater-Aufführung stehen Kinder und Greise, Frauen und Männer pulkartig um das Schauspiel herum – einige fotografieren, andere filmen.

Doch die Vorführung ist kein Spiel, die Bestrafung ist real. 20 Peitschenhiebe treffen den  jungen Dieb, so hat es die Gemeinschaft kurz zuvor beschlossen. Hühner und Bargeld soll er in der Nachbarschaft gestohlen haben, zusammen mit zwei Komplizen, die am Rande des Platzes stehen und als nächste dran sind. Auch eine Frau ist dabei. Auge um Auge, Zahn um Zahn – diesem uralten Gerechtigkeitsprinzip folgt das Strafritual, bei dem die Bestohlenen selbst die Peitsche schwingen dürfen.

Selbstjustiz in Guatemala ist keine Seltenheit, lesen wir im Internet. Überall dort, wo der Staat nicht mehr präsent ist, sich nicht mehr um Gesetz und Gerechtigkeit kümmert, nehmen die Bürger das Recht in die eigenen Hände. Und das ist immer häufiger der Fall. Eine Entwicklung, die hin und wieder auch zu Lynchmorden und krassen Verhaltensregeln führt. So soll in einigen Dörfern Guatemalas mittlerweile das Tragen langer Haare (bei Männern) oder sichtbarer Tätowierungen unter Strafe stehen.

Eine Entwicklung, die auch zu dem passt, was wir selbst mitbekamen, als wir sechs Wochen bei einer Familie in San Pedro La Laguna lebten. Dorfangelegenheiten werden intern geregelt, hörten wir die Leute sagen, nur selten erfuhren wir, was sie damit meinten. Es gab eine Art Bürgerwehr, die mit Einbruch der Dunkelheit in den Straßen patroullierte, Leute nach Belieben anhielt und kontrollierte. Touristen wurden meist in Ruhe gelassen.

Ein Spanischlehrer erzählte uns von einer Vergewaltigung. Im Dorf einigte man sich auf eine Wiedergutmachungszahlung und den Umzug des Täters an einen anderen Ort. Die Polizei erfuhr nie davon. Und dann waren da noch die toten Männer, die mit gespaltenem Schädel im See gefunden wurden, zwei Monate vor unserer Ankunft. Das war sogar in der Presse zu lesen. Eine Angelegenheit unter Einheimischen, hörten wir, die Getöteten seien „locos“ gewesen, Verrückte, die nur Ärger machten, nichts, worüber wir uns Gedanken machen müssten.

Die Titelgeschichte des Revolverblättchens „Nuestro Diario“ spielt in dem kleinen Städtchen San Pedro Jocopilas, das im Herzen Guatemalas liegt…

…und in dem die Schuldiggesprochenen vor der Urteilsvollstreckung öffentlich präsentiert werden. Das Trio soll Hühner und Geld von Nachbarn geklaut haben…

…dafür gibt’s jeweils 20 Peitschenhiebe…

…auch die Frau des Räubertrios muss niederknien und erhält ihre Strafe.

Costa Rica

16 Jun

Nebelschwaden ziehen über den schmalen Weg, der durch den dichten Regenwald führt. Riesige Baumfarne, Moose, Lianen und Würgebäume umgeben uns. Im Unterholz knackt es, man hört exotische Vogelstimmen und überall rieselt, plätschert und tropft es. Ab und zu fliegen Kolibris und bunte Schmetterlinge vorüber. In der Ferne hören wir Affengeschrei – eine einzigartige Atmosphäre.

Eigentlich wollten wir nicht nach Costa Rica kommen, viele Reisende haben uns davon abgeraten: zu teuer, zu touristisch, zu wenig ursprünglich. Zum Glück haben wir nicht auf sie gehört. Schon nach wenigen Tagen habe ich mich in Costa Rica verliebt. Das Reisen ist so unkompliziert, die Hostels sind schön, die Natur ist überwältigend. Und das Beste daran ist, daß wir alles auf eigene Faust erkunden können. Eine Seltenheit in Zentralamerika. In jedem Park gibt es Wanderwege, Karten und eine faszinierende Tier- und Pflanzenwelt.

Der Nebelwald von Monteverde ist nur ein Höhepunkt unserer Reise. Jeden Tag werde ich aufs Neue überrascht. Wir baden in einem heißen Fluss am Fuße eines Vulkans, wandern an brodelnden Schwefelquellen vorbei und spielen Tarzan und Jane, indem wir uns an Drahtseilen befestigt durch den Regenwald schwingen. Genießen das Reggae-Feeling an der Karibik, werden von Brüllaffen geweckt, bestaunen Faultierbabies in einer Tierrettungsstation, sehen fette Krokodile auf Sandbänken chillen, beobachten Waschbären, Schildkröten, Tukane, bunte Schmetterlinge und unzählige Affen, die mindestens genauso neugierig sind wie wir.

Nach zwei Wochen sehen wir San José, die Hauptstadt Costa Ricas,  aus dem Flugzeug unter Wolken verschwinden. Die Zeit ist viel zu schnell vergangen, doch länger hätte unser Budget nicht gereicht. Während die Maschine immer mehr an Höhe gewinnt und sich unter mir die Wolkendecke vollständig schließt, weiß ich eines ganz sicher: Ich komme wieder!

So haben wir uns immer Afrika vorgestellt – der Nationalpark Rincón de la Vieja…

…mit seinen bunten Echsen, die uns regelmäßig einen Schrecken einjagen, weil sie plötzlich aus dem Gebüsch schießen und wie angewurzelt stehen bleiben…

…und mit seinen zahlreichen Erdlöchern im vulkanischen Untergrund („Fumarole“ genannt), aus denen pausenlos das Erdinnere in die Atmosphäre dampft…

…oder brodelt, wie bei dieser heißen Schwefel-Quelle, auch „Schlammtopf“ genannt, in deren Nähe es widerlich nach faulen Eiern stinkt.

Ganz anders ist der Nebelwald von Monteverde…

…im zentralen Hochland Costa Ricas. Kühl, feucht und ziemlich ruhig liegt das tropische Naturschutzgebiet auf einer Höhe von bis zu 1800 Metern…

…mit mehr als 2500 verschiedenen Pflanzenarten, die nicht nur auf dem Boden, sondern oft auch direkt an und auf den riesigen Bäumen im Park wachsen.

Ein anderes Highlight in Monteverde ist „Canopy“…

…dabei rauschen wir an Stahlseilen gesichert kreuz und quer durch den Nebelwald. Manchmal 30 Meter und mehr über den Baumkronen.

Kleine Verschnaufpause, bevor es richtig heftig wird…

…denn beim Finale, dem sogenannten „Superman“, hängen wir mit dem Kopf nach unten an einem 1 Kilometer (!) langen Seil, das zwischen zwei Bergen gespannt ist. Mit wahnsinnigem Tempo gleiten wir die ersten Meter durch dichte Nebelschwaden, die kurz darauf verschwinden und den Blick in das rund 300 Meter tiefe Tal unter uns freigeben – ein Adrenalinschub, an den wir noch lange zurückdenken werden.

Nur wenige Kilometer von Monteverde entfernt ragt der wohl bekannteste Vulkan Costa Ricas in den Himmel – der „Arenal“. Bis vor anderthalb Jahren war er aktiv, spuckte oft mehrmals täglich kleinere Mengen Lava und Asche in die Umgebung. Schade, daß er nun schläft, denn für uns heißt das, wieder kein aktiver Vulkan…

…und wir müssen uns mit den erkalteten Vulkangesteinsbrocken zufrieden geben, die überall rund um den Arenal herumliegen – kleine Klumpen…

…aber auch große Brocken, über die man klettern muss.

Zum Abschluss des Tages gönnen wir uns ein Bad im heißen Fluss. Das Wasser kommt vom Vulkan, dampft und sprudelt um uns herum. Die Stelle ist ein Geheimtipp unter den Einheimischen – kein Eintritt und keine anderen Touristen.

Karibik! Nach gut einer Woche erreichen wir das Dorf Cahuita an der Ostküste des Landes und stehen zum ersten Mal in unserem Leben am Karibischen Meer…

…sehen einen, ja, äähhhh, …Waschbär…

…und Brüllaffen, bei deren Brüllen wir zuerst ordentlich zusammenschrecken und an Löwen denken (die es hier gar nicht gibt)…

…und natürlich Faultiere, die als eine Art Wahrzeichen der Region gelten und besonders bei den Touristen beliebt sind. Ob in freier Wildbahn…

…oder in einer der Tierrettungsstationen (vorne ein Dreifinger- und hinten ein Zweifinger-Faultier). Normalerweise schlafen sie 18 Stunden am Tag, die restliche Zeit essen die Faultiere Blätter. Um sich möglichst wenig bewegen zu müssen, können sie ihren Kopf bis zu 270 Grad drehen. Und nur einmal pro Woche verlassen die Tiere ihren sicheren Hängeplatz im Baum, um am Boden ihr Geschäft zu verrichten.

Faultiere sind so beliebt, daß sie immer wieder als Werbeträger herhalten müssen, wie bei diesem Mineralwasser aus der Region.

Wir sind auf dem Weg nach Tortuguero im Nordosten Costa Ricas und werden von einem ziemlich heftigen Regenschauer erwischt, ist ja auch Regenzeit…

…zum Glück ist Regen aber die Ausnahme. Unsere letzten Tage im Land verbringen wir bei herrlichem Wetter – hier am Bootsanleger unseres Hostels in Tortuguero, einem Kleinen Dorf im Regenwald, das nur per Boot oder Flugzeug zu erreichen ist.

Nicaragua

30 Mai

Zwei Tage lang flogen El Salvador und Honduras an unserem Busfenster vorbei. Alle hatten ein bißchen Angst. Immer wieder wurden auf dieser Strecke Busse überfallen, ausgeraubt und angezündet. Draußen sahen wir Hunde, Klappergestelle, die unter Palmen im Müll nach Essbarem suchten, neben ihnen andere Hunde, tot, an deren Eingeweiden die Geier zupften. Bilder wie aus einem schlechten Westernfilm.

Nirgendwo in Zentralamerika gibt es mehr Probleme mit Armut, Drogen und Kriminalität als hier, im gefühlten Niemandsland zwischen Guatemala und Nicaragua, hier, wo selbst erfahrene Reisende meist nicht länger bleiben als notwendig. Wann immer es ging, drückte unser Busfahrer das Gaspedal bis zum Anschlag. 100 Stundenkilometer in Städten und Dörfern, 120 außerhalb. Bloß nicht anhalten. Bloß nicht gestoppt werden von einer der zahlreichen Banden.

Müde und unbeschadet kommen wir in Nicaragua an. Unser erstes Ziel ist Granada, eine alte Kolonialstadt im Herzen des Landes, in der spanische Architektur auf lateinamerikanische Gelassenheit trifft. 35 Grad im Schatten, Beginn der Regenzeit, hohe Luftfeuchtigkeit, der Schweiß läuft uns am ganzen Körper. Wir sind so weit in den Süden gefahren, um in einem Hilfsprojekt mitzuarbeiten. Eines der wenigen Projekte, in dem nicht gezahlt werden muss, um mitarbeiten zu dürfen. Nebenbei eine gute Gelegenheit, unser Spanisch zu verbessern, dachten wir. Doch wie so oft kommt es anders.

Mit unserer Ankunft in Nicaragua antwortet der Projektleiter nicht mehr auf unsere E-Mails, und Fragen bleiben unbeantwortet. Wir treffen zufällig einen Australier, der gerade aus eben diesem Projekt kommt und Schauergeschichten erzählt. Er spricht von schmutzigen Unterkünften, handgrossen Tarantulas und aggressiven Skorpionen, die nachts in die Häuser krabbeln. Außerdem gebe es Spannungen unter den Volontären.

Wir wollen uns selbst ein Bild machen und besuchen das Projekt, das etwas außerhalb von Granada liegt. Der Koordinator ist entgegen unseren Erwartungen sehr nett. Er nimmt sich viel Zeit, zeigt uns das Gelände und die Arbeitsbereiche, die mitten im Wald liegen. Aber leider bestätigen sich die Berichte des Australiers – wir bekommen schmuddelige, enge Mehrbettzimmer zu sehen, die keinen Raum für Privatssphäre lassen und so luftig gebaut sind, daß Krabbeltiere jeder Größe ungehindert ihren Weg ins Innere finden.

Hier halten wir es keine drei Monate aus, das wissen wir sofort, zumal es kaum etwas außenrum gibt. Deshalb schlagen wir vor, in Granada wohnen zu bleiben und täglich mit dem Fahrrad zum Projekt zu pendeln. Der Vorschlag scheitert daran, dass laut Koordinator jeden Abend verpflichtende Volontärstreffen stattfinden, es aber abends, wenn es dunkel ist, zum Radfahren zu gefährlich ist. Außerdem sieht er das Wohnen ausserhalb des Projekts nicht gerne. Schweren Herzens entscheiden wir uns gegen das Projekt.

Dafür lernen wir im Hostel Miriam und Eduardo aus Würzburg kennen. Die nächsten Tage reisen wir zusammen. Es ist schön, in guter Gesellschaft zu sein. Es geht zur „Isla Ometepe“, einer Vulkaninsel im Nicaraguasee mit beeindruckender Natur, mit Brüllaffen und exotischen Vögeln, die sich jeden Morgen einen Spaß daraus machen, den Touristen das Frühstück vom Teller zu klauen. Unser Zimmer teilen wir unterdessen mit zahlreichen Geckos, die an den Wänden laufen, Mücken jagen und nach getaner Arbeit ein Böpelchen zu Boden fallen lassen, manchmal auch auf unser Bett.

Wir verbringen entspannte Tage auf Ometepe und lernen andere Reisende kennen, mit denen wir die Insel erkunden und bei Sonnenuntergang am Strand sitzen. Es ist erfrischend, über den üblichen Traveller-Smalltalk (Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin? Wo ist es schön?) hinauszukommen und richtige Gespräche zu führen. Wir alle haben unterschiedliche Reisepläne, feiern mehrmals Abschied und bleiben dann doch zusammen oder treffen uns zufällig irgendwo an einem anderen Ort in Nicaragua wieder.

Nächster Stopp ist „San Juan del Sur“, ein vor allem bei US-Amerikanern beliebtes Surfer-Städchen im Südwesten Nicaraguas, direkt am Pazifik. Hohe Wellen und niedrige Preise ziehen Touristen an diesen Ort. Von unserem Hostel haben wir einen herrlichen Blick über die Bucht. Wir relaxen in Hängematten, bräunen am Strand und starten unsere ersten Surfversuche mit Bodyboards. Es macht riesig Spaß. Nach ein paar Tagen trennen sich unsere Wege dann endgültig – als Miriam und Eduardo Richtung Karibik abreisen, ist es fast ein bißchen komisch, wieder zu zweit zu sein.

Blick über Granada: Die drittgrößte Stadt des Landes wurde vor 500 Jahren von den Spaniern gegründet. Vom Turm der La-Merced-Kirche sieht man die Kathedrale…

…und auf der anderen Seite sieht man… uns!

Die La-Merced-Kirche steht mitten im alten Marktviertel.

Gleich um die Ecke liegt der Nicaraguasee – der zweitgrößte See in Lateinamerika. Eigentlich ein hübscher Ort, doch leider haben es die Einheimischen nicht so mit dem Müllwegräumen (wie in diesem „Naturpark“, für den Eintritt gezahlt werden muss).

Deutlich schöner ist da die „Laguna de Apoyo“. In dem vollgelaufenen Vulkankrater ist das Wasser kristallklar und in der Mitte bis zu 200 Meter tief.

Nach ein paar Tagen setzen wir mit einer (völlig überfüllten) Fähre auf die „Isla de Ometepe“ über. Die Insel liegt im Nicaraguasee und besteht aus zwei Vulkanen…

…einer von ihnen ist der rund 1700 Meter hohe „Volcano Concepción“, der im Jahr 2010 zum letzten Mal ausgebrochen ist…

…weshalb auch überall auf der Insel Evakuierungshinweise für den Ernstfall stehen. (Den Sinn der Schilder haben wir allerdings nicht verstanden, denn egal in welche Richtung man auf der kleinen Insel läuft, die Vulkane bleiben immer in Reichweite.)

Da sind wir noch motiviert. Unser Ziel (ein Wasserfall) erreichen wir an diesem Tag aber nicht, zu schwül ist die Hitze, zu schmerzhaft sind die Schlaglochpisten.

Rund um unser Hotel leben zahlreiche Tiere, wie zum Beispiel dieser Kapuzineraffe…

…oder die „Urracas“, nicaraguanische Elstern, die einem im Sturzflug das Frühstück vom Teller klauen, wenn man nicht genau aufpasst.

Der Strand an unserem Hotel ist ein Traum – im Hintergrund sieht man den zweiten Vulkan von Ometepe, den „Volcano Maderas“ (rund 1400 Meter hoch).

Ein Alptraum sind hingegen die frei lebenden Hunde, um die sich hier niemand kümmert. Uns zerreißt es regelmäßig das Herz.

Letzter Stopp in Nicaragua – das Surferörtchen „San Juan del Sur“. Von der Terrasse unseres Hostels haben wir einen tollen Blick über die kleine Bucht.

Überall ist das Gesicht von Augusto César Sandino zu sehen. Der Che Guevara Nicaraguas kämpfte vor rund 100 Jahren als Guerillaführer gegen eine von den USA unterstützte Militärdiktatur, die das einfache Volk unterdrückte und ausbeutete. Seine Gegner erschossen ihn, doch für viele Nicaraguaner bleibt er unsterblich.

Abendessen am Straßenstand: Es gibt Hühnchen mit traditionellem „Gallo Pinto“ (Reis mit gebratenen Bohnen) – die Gerichte in Nicaragua sind meist simpel und nicht besonders abwechslungsreich.

Männer kontrollieren am Strand ihre Netze. Fisch ist ein wichtiger Bestandteil der Küche in den Küstenregionen. Weil die Nicaraguaner ihre Abwässer aber weitestgehend ungefiltert ins Meer leiten, verzichten wir auf die Delikatesse.

Die Regenzeit hat in Nicaragua begonnen, das bedeutet drückende Schwüle und permanente Schweißausbrüche. Ohne Badewasser ist es für Europäer kaum auszuhalten. Dieser Pool gehört deshalb zu unseren Lieblingsorten – auch weil er einen großartigen Ausblick auf die Bucht von San Juan del Sur bietet…

…noch besser ist aber der Pazifik, der hier bestens zum Surfen geeignet ist. Line und Miriam versuchen sich als erste mit dem Bodyboard…

…und stürzen sich in die Wellen.

Alltäglicher Wahnsinn

30 Apr

Eins vorweg: Von der weit verbreiteten Kriminalität im Land haben wir selbst noch nichts mitbekommen. Guatemala, wie es sich uns präsentiert, ist friedlich und entspannt. Selten waren wir von so warmherzigen, gastfreundlichen, tollen Menschen umgeben wie hier, in San Pedro La Laguna, dem kleinen Bergdorf mit der großen Maya-Kultur, in dem Backpacker, Einheimische und Aussteiger wie eine offene Patchwork-Familie zusammen leben.

Und doch gibt es ihn, den alltäglichen Wahnsinn, per Tageszeitung erreicht er uns Tag für Tag aus dem Rest des Landes. Überfälle, Vergewaltigungen, Auftragsmorde – die meisten Horrormeldungen kommen aus der Hauptstadt (Guatemala-Ciudad), die gerade einmal 150 Kilometer von San Pedro entfernt liegt und zu den gefährlichsten Orten der Welt gehört. Rund 4000 Menschen werden hier jedes Jahr ermordet. Zum Vergleich: Im etwa gleich großen Berlin sind es rund 40 Morde pro Jahr.

Jeden Tag gehe ich mit meinem Spanischlehrer die Tageszeitung durch und bin schockiert. Vor allem darüber, in welchem Ausmaß Straßenräuber, Jugendbanden und Drogenschmuggler im ganzen Land operieren, in welchem Ausmaß der Staat versagt und schlimmer noch, in welchem Ausmaß Politiker und Polizisten selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt sind. Die korrupte Staatsmacht gilt als eins der größten Übel in Guatemala.

Umso mehr schätze ich die Arbeit der hiesigen Journalisten, die in dieser explosiven Umgebung kritisch und hartnäckig über die Probleme des Landes berichten. Irritiert hat mich allerdings, wie in den Zeitungen mit den Verdächtigen umgegangen wird. Mit vollem Namen und unverpixelt werden sie (landesweit) präsentiert – das kommt einem modernen Pranger gleich und wäre so in Deutschland niemals möglich.

Hier eine kleine Auswahl der letzten Tage (Quelle: Prensa Libre):

Diese Damen wurden festgenommen, weil sie Kinder entführt und von den Eltern Lösegeld erpresst haben sollen. Kidnapping ist weit verbreitet in Guatemala...

...auch wenn nicht jede Entführung echt ist, wie in diesem Fall. Die Mutter (rechts) hat ihre Tochter (nicht im Bild) als gekidnappt gemeldet, damit der Vater des Mädchens Geld an einen Strohmann zahlt, der wiederum mit der Mutter unter einer Decke steckt. Die Mutter hat ihre Tochter für die Zeit der angeblichen Erpressung in die Obhut der Tante (links) gegeben, die ebenfalls in den Plan eingeweiht war.

Ein weiteres Problem sind die zahlreichen Raubüberfälle im Land. In diesem Fall hat eine Überwachungskamera festgehalten, wie ein Unbekannter mit Waffe einen Gashändler auf offener Strasse überfällt. Oft kommt es auch zu Fällen von Car-Hijacking - dabei werden Autofahrer vor allem an Kreuzungen gezwungen, ihr Auto abzugeben. Wer sich weigert, hat schnell ein paar Kugeln im Körper.

Jeden Tag werden überall im Land getötete Personen gefunden...

...nur selten werden die Hintergründe der Taten aufgeklärt und die Täter gefasst...

...wie in diesem Fall: Drei Männer sitzen vor Gericht, weil sie mehrere Personen umgebracht haben sollen, um an ihre Waffen zu kommen. Unter den Opfern der "Sicarios" war auch ein bekannter Liedermacher aus Guatemala.

Am selben Tag wird dieser junge Mann festgenommen, er soll mindestens vier Auftragsmorde ausgeführt haben. Seine makabre Spezialität: Die abgetrennten Köpfe der Opfer platzierte er für alle gut sichtbar an viel befahrenen Straßen.

Dieser ehemalige Abgeordnete einer politischen Partei soll Teil einer Bande gewesen sein, die andere Politiker aus dem Weg räumte. Für die Morde gab's 203 Jahre Knast.

Auch diese Damen sind gerade Thema in Guatemala: Gloria Torres (rechts) ist die Schwester der ehemaligen "First Lady" (Frau von Staatspräsident Álvaro Colom Caballeros, der bis Januar 2012 regierte) und soll mit anderen Komplizen mehrere Zehntausend Dollar per Geldwäsche beiseite geschafft haben. Auch ihre Tochter Maria Marta (links) soll bei dem schmutzigen Geschäft mitgemacht haben.

Andere versuchen mit Drogenschmuggel reich zu werden - Guatemala gilt als Transitland für Drogentransporte von Südamerika in die USA. In diesem Lastwagen fanden Polizisten zum Beispiel rund 250 Kilogramm reinstes Kokain.

Diese Herren schmuggelten zwar keine Drogen in ihrem Lkw, dafür aber sämtliche Bestandteile für eine Drogenküche. Und da sie es nicht einmal für nötig hielten, die Gerätschaften auf der Ladefläche abzudecken, flog der ganze Transport auf.

Manchmal sind es auch die eigenen Kollegen, die die Polizei aus dem Straßenverkehr ziehen muss - wie in diesem Fall: Drei Männer (zwei Polizisten, sitzend, und ein Soldat, liegend) sind sturzbetrunken mit einem Streifenwagen durch die Gegend gefahren und dann zufällig in eine Verkehrskontrolle geraten.

Die Polizei genießt in der Bevölkerung einen ziemlich schlechten Ruf, gilt als korrupt und unzuverlässig. Deshalb werden nun Kameras in alle Streifenwagen eingebaut, die die Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit filmen und die Bilder zu einer Einsatzzentrale übertragen. So soll die Bevölkerung vor den Gesetzeshütern geschützt werden.