Zwei Tage lang flogen El Salvador und Honduras an unserem Busfenster vorbei. Alle hatten ein bißchen Angst. Immer wieder wurden auf dieser Strecke Busse überfallen, ausgeraubt und angezündet. Draußen sahen wir Hunde, Klappergestelle, die unter Palmen im Müll nach Essbarem suchten, neben ihnen andere Hunde, tot, an deren Eingeweiden die Geier zupften. Bilder wie aus einem schlechten Westernfilm.
Nirgendwo in Zentralamerika gibt es mehr Probleme mit Armut, Drogen und Kriminalität als hier, im gefühlten Niemandsland zwischen Guatemala und Nicaragua, hier, wo selbst erfahrene Reisende meist nicht länger bleiben als notwendig. Wann immer es ging, drückte unser Busfahrer das Gaspedal bis zum Anschlag. 100 Stundenkilometer in Städten und Dörfern, 120 außerhalb. Bloß nicht anhalten. Bloß nicht gestoppt werden von einer der zahlreichen Banden.
Müde und unbeschadet kommen wir in Nicaragua an. Unser erstes Ziel ist Granada, eine alte Kolonialstadt im Herzen des Landes, in der spanische Architektur auf lateinamerikanische Gelassenheit trifft. 35 Grad im Schatten, Beginn der Regenzeit, hohe Luftfeuchtigkeit, der Schweiß läuft uns am ganzen Körper. Wir sind so weit in den Süden gefahren, um in einem Hilfsprojekt mitzuarbeiten. Eines der wenigen Projekte, in dem nicht gezahlt werden muss, um mitarbeiten zu dürfen. Nebenbei eine gute Gelegenheit, unser Spanisch zu verbessern, dachten wir. Doch wie so oft kommt es anders.
Mit unserer Ankunft in Nicaragua antwortet der Projektleiter nicht mehr auf unsere E-Mails, und Fragen bleiben unbeantwortet. Wir treffen zufällig einen Australier, der gerade aus eben diesem Projekt kommt und Schauergeschichten erzählt. Er spricht von schmutzigen Unterkünften, handgrossen Tarantulas und aggressiven Skorpionen, die nachts in die Häuser krabbeln. Außerdem gebe es Spannungen unter den Volontären.
Wir wollen uns selbst ein Bild machen und besuchen das Projekt, das etwas außerhalb von Granada liegt. Der Koordinator ist entgegen unseren Erwartungen sehr nett. Er nimmt sich viel Zeit, zeigt uns das Gelände und die Arbeitsbereiche, die mitten im Wald liegen. Aber leider bestätigen sich die Berichte des Australiers – wir bekommen schmuddelige, enge Mehrbettzimmer zu sehen, die keinen Raum für Privatssphäre lassen und so luftig gebaut sind, daß Krabbeltiere jeder Größe ungehindert ihren Weg ins Innere finden.
Hier halten wir es keine drei Monate aus, das wissen wir sofort, zumal es kaum etwas außenrum gibt. Deshalb schlagen wir vor, in Granada wohnen zu bleiben und täglich mit dem Fahrrad zum Projekt zu pendeln. Der Vorschlag scheitert daran, dass laut Koordinator jeden Abend verpflichtende Volontärstreffen stattfinden, es aber abends, wenn es dunkel ist, zum Radfahren zu gefährlich ist. Außerdem sieht er das Wohnen ausserhalb des Projekts nicht gerne. Schweren Herzens entscheiden wir uns gegen das Projekt.
Dafür lernen wir im Hostel Miriam und Eduardo aus Würzburg kennen. Die nächsten Tage reisen wir zusammen. Es ist schön, in guter Gesellschaft zu sein. Es geht zur „Isla Ometepe“, einer Vulkaninsel im Nicaraguasee mit beeindruckender Natur, mit Brüllaffen und exotischen Vögeln, die sich jeden Morgen einen Spaß daraus machen, den Touristen das Frühstück vom Teller zu klauen. Unser Zimmer teilen wir unterdessen mit zahlreichen Geckos, die an den Wänden laufen, Mücken jagen und nach getaner Arbeit ein Böpelchen zu Boden fallen lassen, manchmal auch auf unser Bett.
Wir verbringen entspannte Tage auf Ometepe und lernen andere Reisende kennen, mit denen wir die Insel erkunden und bei Sonnenuntergang am Strand sitzen. Es ist erfrischend, über den üblichen Traveller-Smalltalk (Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin? Wo ist es schön?) hinauszukommen und richtige Gespräche zu führen. Wir alle haben unterschiedliche Reisepläne, feiern mehrmals Abschied und bleiben dann doch zusammen oder treffen uns zufällig irgendwo an einem anderen Ort in Nicaragua wieder.
Nächster Stopp ist „San Juan del Sur“, ein vor allem bei US-Amerikanern beliebtes Surfer-Städchen im Südwesten Nicaraguas, direkt am Pazifik. Hohe Wellen und niedrige Preise ziehen Touristen an diesen Ort. Von unserem Hostel haben wir einen herrlichen Blick über die Bucht. Wir relaxen in Hängematten, bräunen am Strand und starten unsere ersten Surfversuche mit Bodyboards. Es macht riesig Spaß. Nach ein paar Tagen trennen sich unsere Wege dann endgültig – als Miriam und Eduardo Richtung Karibik abreisen, ist es fast ein bißchen komisch, wieder zu zweit zu sein.