Mumbai

3 Okt

Unsere Reise beginnt krass. Nach einer weitestgehend schlaflosen Nacht, zwei Langstreckenfluegen und einem Zwischenstopp in Bahrain huppeln wir bei Sonnenaufgang mit einem klapprigen Mini-Taxi ueber unzaehlige Schlagloecher in Richtung Mumbai-City, mitten durch die kilometerlangen, bis an den Horizont reichenden Vorstadtslums.

Muell, Nieselregen, ein suesslich-saeuerlicher Gestank von Fisch, Feuer und Exkrementen beisst in der Nase. Die Slums erwachen. Morgentoilette am Rinnstein. Ratten, Hunde und Saeuglinge warten auf Nahrung, zwischen Hunderten von Feuerkesseln, in denen braunes Tee- und Suppenwasser brodelt, das aus fauligen Tuempeln geschoepft wird.

Tausendmal gesehene Bilder pruegeln auf uns ein, die erst hier, Auge in Auge, zum begreifen nah, ihre ganze Grausamkeit entwickeln. Niemand bettelt, schenkt uns groessere Aufmerksamkeit, der Alltag am Lebenslimit fordert alle Kraefte – und Sinne. Aus Respekt bleiben die Kameras im Rucksack, Elendsvoyeurismus ist nicht unser Ding.

Die ersten Hochhaeuser tauchen auf, Mumbai wird schicker. Wir atmen durch, lehnen uns zurueck, lassen die Haeuserschluchten vorbeirauschen. Der Pulsschlag faellt, die Muedigkeit daempft. Und doch sitzt er tief, der erste Schock. Willkommen in Indien, willkommen in diesem gnadenlosen Moloch, in dem wir es nur zwei Tage aushalten werden.

Sagenumwobenes Indien! Endlich sind wir da! Die Stadt fordert unsere ganzen Sinne. Ueberall wuselt es, ist es laut, stinkt. Kaum einen Meter zu Fuss zureuck gelegt, laeuft uns der Schweiss in Baechen, und unsere Fuesse dampfen. Ueberall werden wir ueberschwaenglich begruesst: „Hello my friend.“

Die Inder sind Ueberlebenskuenstler, Talkmaster, Geschichtenerzaehler. An jeder Ecke ist ein kleines  „Business“ aufgebaut, jeder kaempft mit viel Kreativitaet um sein taegliches Auskommen. Dafuer wird lautstark auf das Angebot aufmerksam gemacht, sei es ein einzelnes Telefon, das auf einem Betonpfeiler steht vor dem ein Inder sitzt und seine besondere Telefonzelle anpreist, oder auf einem kleinen Oefchen am Strassenrand geroestete Erdnuesse, die liebevoll in Zeitung verpackt werden.

Wir werden auf Tausenden Fotos abglichtet, zum Tee eingeladen und bekommen unglaubliche Geschichten zu hoeren. Zum Beispiel, dass Bubu aus Jaipur taeglich zum Wachwerden 60 Kilometer joggt. Ganz normal. Die Inder sind so neugierig auf uns, dass sie uns kaum Luft zum Atmen lassen. Im Gegenzug zu unserer Geschichte freuen sie sich dann umso mehr, ihre ganz persoenliche Geschichte los zu werden. Fast alle wurden auf dem Land geboren und haben Mumbai zu ihrer Wahlheimat gemacht. Das traegt wesentlich zum Flair und Mumbais grellbunter Mischung bei.

Vorsichtig gehen wir mit der indischen Kueche auf Tuch- beziehungsweise Magenfuehlung und beschliessen den schaebig aussehenden Garkuechen und den kleinen Toepfen auf Raedern, die an jeder Ecke warten, zu vertrauen. Und: es schmeckt! Auch wenn Uwe noch nicht so ganz ueberzeugt ist, ich geniesse die erste frische Papaya an der Strassenecke und widme mich spaeter den Currys.

Nach den vielen Eindruecken kommen wir abends totmuede in unserem Hostel an. Unser Zimmer ohne Fenster oder jegliche andere Belueftung ist eine Sauna. Das Licht und der Fernseher unseres Nachbarn wird genauso grell und laut zu uns uebertragen wie er es einstellt, also sehr laut! Irgendwie schlafen wir trotzdem.

Mumbai verabschiedet uns am naechsten Abend mit einer seiner vielen Ueberraschungen: In der Abenddaemmerung stolpern wir zuefaellig ueber einen wunderschoenen Tempel. Ein Ort, der Ruhe und Entspannung im Grossstadtdschungel. Wir atmen tief durch – Omm – und stuerzen uns dann erneut ins Getuemmel. Indien wir kommen!

Victoria Terminus - hier den Nachtzug nach Goa zu finden war nicht ganz einfach. Rund 2,5 Millionen Menschen druecken sich taeglich durch den Hauptbahnhof.

Wenn gerade keiner ein Taxi braucht...

Kuehe sind den Hindus heilig und werden bestens gepflegt, wer ausserdem seine Hand auf den Allerwertesten legt, wird einen gluecklichen Tag verleben.

2 Antworten to “Mumbai”

  1. Julie 6. Dezember 2011 um 03:55 #

    Hi Line,
    die Bilder und eure Berichte sind wirklich fantastisch. Ich freue mich sehr für euch, dass ihr das alles erleben könnt. Die Bilder erinnern mich an Maites und meine Reise, einige der Orte kennen wir (Palolem, Mumbai…aber das weißt du ja). Sehr schön und ich freue mich auf alles was noch kommt. Viel Spaß euch beiden! deine Julie

  2. Robert 29. Juni 2012 um 16:15 #

    Hi Line,

    ich bin voll fasziniert von euren Trips und der gesammten Reise. Ich hab selber einen Latinamerika Trip, von Guatemala aus nach Bolivien vor. Zu Guate hab ich eine ganz besonders starke Verbindung.

    Vielleicht könnt ihr mir ein paar pracktische Typs geben wie ich günstig von Guatemala aus nach Boli komme. Da die Flüge wahnsenig teuer geworden sind.

    Viele schöne Erfahrungen noch!

    Gruß Robert

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